FJOs Reiseseiten HOME | In eigener Sache

Lemberg und Czernowitz
die Metropolen der K.u.K.-Kronländer Galizien und Bukowina

Wegen des großen Interesses an Czernowitz habe ich den ursprünglichen Bericht zweigeteilt.

Lemberg,
als ob diese Welt nie untergegangen wäre.

Czernowitz,
jüdische Stadt deutscher Sprache

Lemberg [Lviv]
Serbskastraße

Czernowitz [Chernivtsi]
Herrengasse (Olga-Kobylianska-Str.)

Vor knapp 100 Jahren endete die Hoch- und Blütezeit der knapp 150 Jahre währenden Herrschaft der Habsburger im Osten Mitteleuropas. Deren effizientes Verwaltungssystem, ihre Selbstverpflichtung zur Bildungsförderung und die deutsche Sprache waren die Bindeglieder, die den Vielvölkerstaat zusammenhielten und deren Zeugnisse selbst Jahrzehnte nach seinem Untergang 1918 noch überall sichtbar sind.

Die Stadtbilder von Lemberg und Czernowitz, dem äußersten östlichen Vorposten der Monarchie, sind heute noch geprägt von habsburgischer Architektur und städteplanerischen Prinzipien.

Neben der Politik der Habsburger war es das jüdische Element, dem der immense Aufschwung auf geistig-kultureller Ebene zu verdanken ist. Die Juden Galiziens und der Bukowina fühlten sich von den Metropolen magisch angezogen, weil sie die Chance erkannt hatten, hier, abseits ihrer ärmlichen Stetlwelt, Auskommen und -bildung und damit Anschluß an das Bürgertum der Wiener Monarchie zu finden.
s. hierzu "Czernowitzer Judentum: ein Mythos am Rande Europas?"

Die großzügige und flächendeckende Errichtung von Bildungsanstalten diente der gesamten Bevölkerung. Mit der Gründung der deutschsprachigen Universität Czernowitz und der Wiedergründung der Lemberger Universität wurde die Grundlage geschaffen, auch den jüdischen Untertanen den akademischen Weg zu ebnen. Wie sehr diese Bevölkerungsgruppe davon Gebrauch machte, zeigen die Zahlen: Um 1880 betrug der jüdische Bevölkerungsanteil in Czernowitz ca. 30% und in der Bukowina ca. 12%. Der Anteil jüdischer Studenten an der Czernowitzer Universität betrug dagegen 41%.

Paul Celan, der größte deutschsprachige Lyriker des 20. Jahrhunderts, nannte seine Geburtsstadt Czernowitz "Die Stadt, in der Menschen und Bücher lebten". Er, Rose Ausländer, Gregor von Rezzori und Edgar Hilsenrath sind die bekanntesten jüdischen Poeten aus der bukowinischen Hauptstadt. Aber mit ihnen ist der Kreis der Czernowitzer Schriftsteller noch längst nicht erschöpft: Alfred Margul-Sperber, Alfred Gong, Selma Meerbaum-Eisinger, Immanuel Weißglas, Alfred Kittner, Moses Rosenkranz, Margit Bartfeld, Klara Blum und nicht zuletzt einer meiner Lieblingsschriftsteller, Karl Emil Franzos, sie alle stammen von hier.
s. hierzu: "Persönlichkeiten aus Czernowitz"

Nicht unterschlagen darf ich an dieser Stelle Hedwig Brenner, die vor wenigen Tagen in Haifa ihren 95. Geburtstag feierte. Ihr Büchlein Mein altes Czernowitz ist nicht nur eine Bestandsaufnahme der "guten, alten Zeit" zwischen den Weltkriegen, es war uns der beste Führer durch die Stadt, den man sich denken kann.
Dazu neben einem aktuellen noch den deutschsprachigen Stadtplan aus Illustrierter Führer durch die Bukowina von 1907 und das Zurechtfinden wird zum Kinderspiel.
Für Lemberg diente uns als Cicerone das Büchlein "Lemberg ... einfach köstlich, das von profunder Sachkenntnis zeugt, in Aufbau und Schwerpunktsetzung aber gewöhnungsbedürftig ist.

So ausgerüstet zogen wir aus, um all dem nachzuspüren, um zu sehen und zu verstehen und um uns der Herausforderung an unsere Vorstellungskraft zu stellen. Das nämlich war der eigentliche Grund für diese Reise.

TEIL I
Lemberg

auch Lwow, L'vov, Lviv. In Galizien, Lodomerien, Wolhynien. Jetzt in der Ukraine. Geprägt von ostslawischen Fürsten, Polen, Österreichern, Ruthenen, Armeniern, Italienern und Juden

>>> Kirchen <<<


St. Michael
1642

St. Andreas
1630

Lateinische Kathedrale
1405-1481 (1761–1776)

Maria Entschlafen-Kirche
1591-1629

St. Peter und Paul
1610-1630


>>>> Kuchen <<<<


Veronica

Praha

Swit Kawy

Schokoladen-Manufaktur


>>>> Kaiserjahre <<<<


Rynok (Ostseite)

wul. T. Kostjuschka

Opernhaus

Rynok (Westseite)

ehem. Casino, wul. Hnatjuka

Prospekt Swobody (Postamt)

Universität

wul. Hnatjuka 20

Prospekt Swobody

wul. Serbska



270 km von Lemberg nach Czernowitz

So wird sie beworben, die Ukrainische Staatsbahn
Hinfahrt
Plan: 17:12h / 22.50h
Ist: 17:12h / 23:15h
Rückfahrt
Plan: 19:02h / 23:34h
Ist: 20:12h / 00:07h

Und das ist die rauhe Wirklichkeit

Uhrzeit 17:22h

Waiting for a train
in Czernowitz

Uhrzeit 22:54h
Aber die Bahnhöfe sind wahre Schmuckstücke !

Lemberg

Czernowitz



TEIL II
Czernowitz

auch Tschernowitz, Tscherniwzi, Cernauti, Czerniowce. Einst moldauisch, polnisch, österreichisch, russisch, rumänisch, sowjetisch. Jetzt CHERNIVTSI in der Ukraine. Bis 1940 besiedelt von Juden, Deutschen, Polen, Armeniern, Ruthenen, Russen und Rumänen.
Geschundene Menschen
Geschundene Stadt


>>> einst der israelitische Tempel - jetzt Kino <<<


>>>> Stadt der Väter <<<<

Bisher war ich der Überzeugung, daß sich Kölner in ihrer Liebe und Anhänglichkeit zu ihrer Vaterstadt von niemandem auf der Welt übertreffen lassen würden. Nachdem ich bei der Vorbereitung unserer Reise nach Galizien und in die Bukowina auf die Kommunikationsplattform der aus Czernowitz vertriebenen Juden gestoßen bin, mußte ich diesen Glauben revidieren: Es sind die Kinder und Kindeskinder der Czernowitzer, die zusammen mit den wenigen Überlebenden in einer unerreichten, unnachahmlichen Weise ihrer Liebe zur Heimat ihrer Väter Ausdruck verleihen.
Listenmitglieder aus der ganzen Welt, aus Nord- und Südamerika, aus Australien und Südafrika, aus Israel und Europa tauschen sich hier aus, analysieren und kommentieren Ereignisse und neu entdeckte Quellen, freuen sich über alte und neue Fotos, tauschen Neujahrs- und Geburtstagswünsche.
Alles in Englisch mit deutschen, jiddischen und hebräischen Einsprengseln.
Die Lektüre der Czernowitz-Liste ist für mich zum täglichen, immer wieder spannenden Erlebnis geworden.
Zusammengehalten werden die Informationen und Kommentare nebst umfangreichem Datenmaterial über Czernowitz und die Bukowina auf der Czernowitzer Website "Ehpes".


Markttreiben auf dem Ringplatz um 1900, links im Winkel abgehend die Herrengasse

Ringplatz mit Rathaus

Landhausgasse

Theater

Herrengasse

Landesregierung

Enzenberger
Hauptstraße

Herrengasse
Richtung Ringpatz

Jüdisches Haus
jetzt Museum (Theaterplatz)

Enzenberger Hauptstr.
Ecke Judengasse

ehem. Hotel Bristol
am Rudolfsplatz
Die ehemalige Residenz des Metropoliten der orthodoxen Kirche der Bukowina und Dalmatiens; heute Universität, erbaut 1864-1882



>>>> Fresken <<<<

Im Frühjahr 2013 wurden durch Zufall in einem Seitenraum der Synagoge in der Unterstadt von Czernowitz, der "Groisse Shil", Fresken mit biblischen Motiven und Darstellungen Jerusalems entdeckt.
Die "Groisse Shil" wird seit Sowjetzeiten als Tischlerei mißbraucht. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war sie das religiöse Zentrum des jüdischen Viertels.
s. hierzu den Blog von Christian Herrmann
"Recently discovered Wall Paintings in the “Groisse Shil” of Czernowitz"

Im Jüdischen Museum ("Czernowitzer Museum für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina") hatte uns der Direktor Mykola Kuschnir mit einem ungläubigen Staunen im Gesicht gefragt "Woher wissen Sie denn davon? Die Fresken sind doch erst vor einigen Monaten entdeckt worden?" und unsere Frage, ob man die Fresken besichtigen könne, mit einem "Jein" beantwortet. "Vielleicht, wenn der Inhaber der Tischlerei anwesend ist, vielleicht aber auch dann nicht." Das sei abhängig von den Arbeitsprozessen in der Tischlerei. "Und wenn der Inhaber nicht da ist?" "Dann," so meinte Herr Kuschnir, "haben Sie wohl keine Chance."
Also sind wir losmarschiert, haben die Synagogengasse gefunden und auch die "Groisse Shil". Im Hinterhof kommt ein Bär von Mann, offenbar der Vorarbeiter der Tischlerei, auf und zu und raunzt uns - wohl ahnend, was wir dort wollen - in barschem Ton auf Ukrainisch an und verweigert uns den Zugang zum Gebäude.
Was uns nicht daran hinderte, einen anderen Eingang zu suchen und bei dem dort dösenden Wachmann um die Erlaubnis zum Betreten der Tischlerei zu bitten.
Durch den Lärm und den im Sonnenlicht flirrenden Holzstaub gelangten wir in den Nebenraum und konnten in aller Ruhe fotografieren, bis plötzlich der Bär vor uns stand und uns - wir glaubten es kaum - mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Weg zur Tür wies. Ob er unsere Chuzpe bewundert hat?


Szenen aus dem Freskenfries, entstanden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts



>>>> und ein Friedhof <<<<

Der jüdische Friedhof von Czernowitz aus den Jahren 1866 bis ins 7. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ist mit 50.000 Gräbern auf 14 Hektar einer der größten Osteuropas. Mit dem Fortzug der letzten überlebenden Juden aus der Bukowina wurde der Friedhof zu einer 'toten' Ruhestätte. Die sowjetischen Behörden ließen die Anlage aus Prinzip verwildern, die junge ukrainische Republik änderte nichts an diesem Un-Zustand, sei es aus Geldmangel oder anderen Gründen.
Seit sechs Jahren jedoch finden sich Jahr für Jahr Gruppen von Freiwilligen aus ganz Europa, die den Friedhof Quadratmeter um Quadratmeter von der üppig wuchernden und alles zudeckenden und zerstörenden Vegetation befreien.
s. auch hierzu aus dem Blog von Christian Herrmann One has to imagine Sisyphus as a happy man.


Die verfallene Zeremonienhalle des Friedhofs



Ein Fazit

Mit diesen Bildern schließe ich den Bericht über unsere Reise nach Galizien und in die Bukowina.
Auch wenn's ein wenig theatralisch klingt, ich meine es genau so: Ein besserer Abschluß ist für mich nicht vorstellbar nach dieser Reise in die "Stadt der toten Dichter".

So bleibt mir nur noch, auf einige meiner Quellen hinzuweisen, auf die ich bei der Reisevorbereitung gestoßen bin und die ich denjenigen ans Herz lege, die sich mit dem Gedanken tragen, eine solche oder eine ähnliche Reise zu unternehmen oder - vermessen genug - für die dieser Bericht möglicherweise Anregung ist, sich mit dem Thema intensiver zu befassen.

Die Fotos sind zu 95% Eigenproduktion; die wenigen ergänzenden Fotos habe ich diversen, öffentlich zugänglichen und nicht mit einem Copyright versehenen Websites entnommen. Ich bitte um Nachsicht hierfür.


Einen noch ausführlicheren Bericht zu CZERNOWITZ findet man HIER


Touristisches
Flug von Dortmund nach Lemberg mit WizzAir
Bahn: Lemberg-Czernowitz-Lemberg mit der Ukrainischen Staatsbahn "UZ"
Transfers in Lemberg: InLviv mit perfektem Service
Hotel in Lemberg: George
Hotel in Czernowitz: Magnat Lux
Restaurants in Lemberg: Amadeus, Vintage, Veronika
Restaurant in Czernowitz: Wiener Café


Quellen

Ukraine

http://www.uz.gov.ua/en/
http://www.traveltoukraine.org/index.htm
http://www.virtualtourist.com/travel/Europe/Ukraine/Chernivetska_Oblast/Chernivtsi-713897/Transportation-Chernivtsi-TG-C-1.html
http://green-ukraine.com/visit-chernivtsi
http://wizzair.com/de-DE/Search
https://gd.tickets.ua/en/search/result?session_id=111aa1dfa4c8b2efa3ef4b721ee100d7

Lemberg (Lviv)
http://www.lvivairport.info/
http://www.swr.de/schaetze-der-welt/lemberg/-/id=5355190/nid=5355190/did=6314758/1ss3esm/index.html
http://wikitravel.org/de/Lemberg
http://www.ct.lviv.ua/de/#.UgT67azXZgg
http://whc.unesco.org/en/list/865
http://www.coffeefest.lviv.ua/en/
http://www.tripadvisor.de/Restaurants-g295377-Lviv_Lviv_Oblast.html

Czernowitz (Chernivtsi)
http://chernivtsiguide.com/
http://welt-czernowitz.com/
http://en.wikipedia.org/wiki/Chernivtsi
http://de.wikipedia.org/wiki/Czernowitz
http://www.czernowitz.de/
http://www.tovste.info/Surroundings/Chernivtsi.php
http://chernivtsy.eu/portal/1175-2
http://www.dreizackreisen.de/czernowitz-tschernowitz-chernivtsi-bukowina-ukraine
http://en.ukrainecityguide.com/regions/chernivtsivinnicka/Chernivtsi.htm
http://whc.unesco.org/en/list/1330
http://www.czernowitz.de/pdf/Strassenverzeichnis%20von%20Czernowitz.pdf
http://www.cyberorange.net/galleries/czernowitz01/czernowitz45.html

Galizien und Bukowina
http://www.galizien-deutsche.de/deutsch/genealogie-und-ortsplaene/das-galiziendeutsche-archiv.htm
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/kuk_galizien.htm
http://www.zeit.de/2003/18/Lemberg_neu
http://www.geo.de/reisen/community/reisen/ukraine/klima

Jüdisches Czernowitz
http://czernowitz.ehpes.com/
http://www.muzejew.org.ua/
http://en.wikipedia.org/wiki/Jewish_cemetery_of_Chernivtsi
http://vanishedworld.wordpress.com/2013/02/14/messages-from-the-underground/
http://prezi.com/xw3mixjesouu/czernowitz-and-its-jewish-cemetery/
http://hauster.blogspot.de/2011/06/czernowitz-ghetto-of-1941.html
http://www.muzejew.org.ua/Karta-Number-En.html
http://www.jewishgen.org/yizkor/bukowinabook/Bukowina.html#TOC2
http://en.wikipedia.org/wiki/Shtetl

Literatur in, aus und über Czernowitz
http://www.marion-tauschwitz.de/aktuelles-und-interessantes/
http://www.meridiancz.com/en/
http://www.gedankendach.org/
http://www.zeitzug.com/index.php?option=com_content&view=article&id=1097&Itemid=240
http://www.parthenon-verlag.de/product/czernowitz-1848-1918-das-kulturelle-leben-einer-provinzmetropole/
http://www.amazon.de/Czernowitz-Geschichte-einer-untergegangenen-Kulturmetropole/dp/386153374X
http://blog.boschstiftung-portal.de/leipziger-buchmesse-2012/18.03.2012/meridian-czernowitz/
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=9221
http://www.welt-czernowitz.com/literarische-czernowitz.html
http://www.hartung-gorre.de/Hedwig_Brenner.htm
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/ein-dichterleben-es-gibt-keinen-hass-es-ist-ein-wunder-1744260.html
http://www.kulturforum.info/de/topic/1019372.karl-emil-franzos.html

und nicht zuletzt "Czernowitzer Geschichte(n)": Czernowitz, Hauptstadt der Bukowina, Stadt der versunkenen Kulturschätze

Köln, den 1.10.2013
© Friedrich J. Ortwein

Links: alle Flüge (Logbuch) Restaurant-Empfehlungen Übernachtungen
Bilder des Jahres Reisereports Reisebücher Begegnungen
HOME Familienforschung Kontakt